Ein Bericht von Frau Focke:

Nach der ersten Nacht in der Austauschfamilie sind wir Lehrer am Morgen bei der Begegnung meistens aufgeregter als die Schüler. Wie haben sich die Schüler in der neuen, fremden Umgebung eingefunden? Klappt die Verständigung mit der Familie, wie verlief das Wiedertreffen mit dem Austauschpartner?

Obwohl wir nach 10 Jahren Austauscherfahrung wissen, worauf wir die Schüler vorbereiten müssen, bleibt dieser erste Morgen spannend. Die Aufregung war umsonst, alle Schüler kamen sehr zufrieden, entspannt und einigermaßen ausgeschlafen zur Schule und berichteten von ihren Familien. Auch ungewöhnliche Situationen (eine Schülerin wird tagsüber und nachts von zwei unterschiedlichen Familien betreut, weil die Austauschfamilie mitten in einem Umzug steckt) bereiten kein Problem! Schön!

An unserem ersten Tag besichtigen wir die Schule und erleben nun „live“ alle Bereiche einer französischen Schule, die bisher nur aus dem Französischbuch bekannt waren: im Bereich der „Vie scolaire“ gibt es Pädagogische Mitarbeiter, die sich um das „Schulleben“ außerhalb des Unterrichts kümmern: Die Registrierung verspäteter oder erkrankter Schüler, Elternkontakte oder Aufsichten in Klassen, deren Lehrer fehlen, werden von diesen Mitarbeitern wahrgenommen. Direkt beim Betreten des Gebäudes müssen die Schüler wie einen Pass ihren Schuljahresbegleiter (Carnet de correspondance) vorzeigen. Der ein oder andere Schüler muss sich zudem einen rügenden, manchmal aber auch lustigen Spruch vom Verantwortlichen der Vie scolaire gefallen lassen.

Gleichzeitig entdecken die Schüler Besonderheiten einer Schule auf Réunion: es gibt ja gar keine Fenster! Im Lehrerzimmer stehen viele Sofas. Wie gemütlich! Auch die farbenfrohe Gestaltung der Außenwände gefällt unseren Schülern besonders gut: so bunt könnte es bei uns auch sein! Anschließend besichtigen wir zwei religiöse Kultstätten in Saint Paul. Zunächst gehen wir zur Moschee und werden dort von einer Muslimin begrü.t, die uns die Moschee zeigt und die Gebräuche erklärt. An diesem Tag wird alles für das Freitagsgebet vorbereitet. Die offene, sonnendurchflutete, mit bunten Mosaiken und weichem Teppichboden gestaltete Moschee erweckt einen freundlichen Eindruck und beeindruckt uns alle.

Anschließend laufen wir zum tamilischen Tempel der Hindus. Hier erwartet uns eine nette Überraschung! Eine ehemalige Schülerin von Frau Dewulf, die 2010 am Austausch mit Brake teilgenommen hat und inzwischen selbst Mutter eines zweijährigen Sohnes ist, erwartet uns mit ihrem Onkel, um uns den hinduistischen Tempel zu zeigen. Sie erzählt, dass sie immer noch zu ihrer Austauschschülerin aus Brake Kontakt hat. Auch der hinduistische Priester ist vor Ort und nimmt sich Zeit, uns zu segnen. Vorher müssen wir mit beiden Händen symbolisch die Hitze einer Flamme in unser Gewicht werfen und dann drückt uns der Priester mit roter Asche einen Punkt auf die Stirn. Der Priester, der seine Scham nur mit einem Tusch bedeckt, weil man nackt vor die Götter treten muss, beeindruckt uns, sodass wir ganz still und ehrfürchtig diese Zeremonie über uns ergehen lassen. Gerade auf Réunion erleben wir eine Mischung der unterschiedlichsten Kulturen und Religionen, sodass dieses Erleben die Toleranz gegenüber Andersgläubigen fördert.

Am Nachmittag besuchen wir den Markt von Saint Paul. Die ersten Körbe und Souvenirs werden gekauft.

Am Abend erwartet uns eine besondere Überraschung! Anlässlich des 10-jährigen Austauschs findet eine Feier für alle am Austausch beteiligten Familien am Strand Ermitage statt. Tische und Bänke werden herangekarrt, ein Generator sorgt für Strom, sodass Lampions den Festplatz beleuchten. Latifa, eine der französischen Austauschschülerinnen, führt mit ihrer Tanzgruppe typisch kreolische Tänze und Lieder vor. Schließlich attackieren wir das reichhaltige und mit réunionnaisischen Köstlichkeiten bestückte Buffet und genießen den Abend. Am Ende müssen auch wir unser Können beim kreolischen Tanz unter Beweis stellen. Nach dem Motto „Egal, ob wir uns hier blamieren und das alles fürchterlich peinlich ist“, tanzen wir hingebungsvoll und amüsieren uns köstlich!

Das Wochenende ist den Familien vorbehalten und diverse Ausflüge stehen auf dem Programm: Aquarium, Schildkrötenstation, Wanderung zum Maïdo oder zum Cirque Mafate, Besichtigung anderer Städte oder Museen…

Erst am Montag treffen wir uns alle gemeinsam in der Schule wieder und starten zu unserem Tagesausflug nach Hell Bourg. Hell Bourg war mal ein Kurort und wurde gerne von den „weißen Herren“, die auf ihren Kaffeeplantagen Sklaven für sich arbeiten ließen, besucht. Heute ist Hell Bourg kein Kurort mehr, aber das Dorf, das aus typisch kreolischen Häusern (Cases créoles) besteht, zählt heute zu den schönsten Dörfern Frankreichs. In Hell Bourg gibt es einen Botanischen Garten, wo uns der Enkel des Besitzers, ein junger Mann Anfang Zwanzig, interessante Dinge über medizinische Nutzpflanzen und Hölzer erzählt, die man auf Réunion findet. Rafael spricht recht gut Deutsch und überrascht uns damit. Er hat auf Réunion Deutsch gelernt und ebenfalls an einem Schüleraustausch teilgenommen. Dadurch wird uns wieder bewusst, wie präsent die deutsche Sprache auf der Insel ist und wie viele Leute es hier gibt, die Deutschland und den Deutschen gegenüber sehr aufgeschlossen sind. Besonders freut uns an diesem Tag, dass wir in den Bergen den schönsten Sonnenschein haben, während die ganze Insel in der Tiefebene von einer Wolkenschicht bedeckt ist. Trotzdem herrschen in Saint Paul angenehme Temperaturen von 24 Grad. Während uns kurze Hosen und T-Shirt reichen, sieht man viele Schüler mit Jeans und Pullovern, weil ihnen „kalt“ ist!

… Bis bald zum Teil 3

Bild- und Artikelnachweis: Frau Focke

 

Ein Bericht von Frau Focke:

Nach der ersten Nacht in der Austauschfamilie sind wir Lehrer am Morgen bei der Begegnung meistens aufgeregter als die Schüler. Wie haben sich die Schüler in der neuen, fremden Umgebung eingefunden? Klappt die Verständigung mit der Familie, wie verlief das Wiedertreffen mit dem Austauschpartner?

Obwohl wir nach 10 Jahren Austauscherfahrung wissen, worauf wir die Schüler vorbereiten müssen, bleibt dieser erste Morgen spannend. Die Aufregung war umsonst, alle Schüler kamen sehr zufrieden, entspannt und einigermaßen ausgeschlafen zur Schule und berichteten von ihren Familien. Auch ungewöhnliche Situationen (eine Schülerin wird tagsüber und nachts von zwei unterschiedlichen Familien betreut, weil die Austauschfamilie mitten in einem Umzug steckt) bereiten kein Problem! Schön!

An unserem ersten Tag besichtigen wir die Schule und erleben nun „live“ alle Bereiche einer französischen Schule, die bisher nur aus dem Französischbuch bekannt waren: im Bereich der „Vie scolaire“ gibt es Pädagogische Mitarbeiter, die sich um das „Schulleben“ außerhalb des Unterrichts kümmern: Die Registrierung verspäteter oder erkrankter Schüler, Elternkontakte oder Aufsichten in Klassen, deren Lehrer fehlen, werden von diesen Mitarbeitern wahrgenommen. Direkt beim Betreten des Gebäudes müssen die Schüler wie einen Pass ihren Schuljahresbegleiter (Carnet de correspondance) vorzeigen. Der ein oder andere Schüler muss sich zudem einen rügenden, manchmal aber auch lustigen Spruch vom Verantwortlichen der Vie scolaire gefallen lassen.

Gleichzeitig entdecken die Schüler Besonderheiten einer Schule auf Réunion: es gibt ja gar keine Fenster! Im Lehrerzimmer stehen viele Sofas. Wie gemütlich! Auch die farbenfrohe Gestaltung der Außenwände gefällt unseren Schülern besonders gut: so bunt könnte es bei uns auch sein! Anschließend besichtigen wir zwei religiöse Kultstätten in Saint Paul. Zunächst gehen wir zur Moschee und werden dort von einer Muslimin begrü.t, die uns die Moschee zeigt und die Gebräuche erklärt. An diesem Tag wird alles für das Freitagsgebet vorbereitet. Die offene, sonnendurchflutete, mit bunten Mosaiken und weichem Teppichboden gestaltete Moschee erweckt einen freundlichen Eindruck und beeindruckt uns alle.

Anschließend laufen wir zum tamilischen Tempel der Hindus. Hier erwartet uns eine nette Überraschung! Eine ehemalige Schülerin von Frau Dewulf, die 2010 am Austausch mit Brake teilgenommen hat und inzwischen selbst Mutter eines zweijährigen Sohnes ist, erwartet uns mit ihrem Onkel, um uns den hinduistischen Tempel zu zeigen. Sie erzählt, dass sie immer noch zu ihrer Austauschschülerin aus Brake Kontakt hat. Auch der hinduistische Priester ist vor Ort und nimmt sich Zeit, uns zu segnen. Vorher müssen wir mit beiden Händen symbolisch die Hitze einer Flamme in unser Gewicht werfen und dann drückt uns der Priester mit roter Asche einen Punkt auf die Stirn. Der Priester, der seine Scham nur mit einem Tusch bedeckt, weil man nackt vor die Götter treten muss, beeindruckt uns, sodass wir ganz still und ehrfürchtig diese Zeremonie über uns ergehen lassen. Gerade auf Réunion erleben wir eine Mischung der unterschiedlichsten Kulturen und Religionen, sodass dieses Erleben die Toleranz gegenüber Andersgläubigen fördert.

Am Nachmittag besuchen wir den Markt von Saint Paul. Die ersten Körbe und Souvenirs werden gekauft.

Am Abend erwartet uns eine besondere Überraschung! Anlässlich des 10-jährigen Austauschs findet eine Feier für alle am Austausch beteiligten Familien am Strand Ermitage statt. Tische und Bänke werden herangekarrt, ein Generator sorgt für Strom, sodass Lampions den Festplatz beleuchten. Latifa, eine der französischen Austauschschülerinnen, führt mit ihrer Tanzgruppe typisch kreolische Tänze und Lieder vor. Schließlich attackieren wir das reichhaltige und mit réunionnaisischen Köstlichkeiten bestückte Buffet und genießen den Abend. Am Ende müssen auch wir unser Können beim kreolischen Tanz unter Beweis stellen. Nach dem Motto „Egal, ob wir uns hier blamieren und das alles fürchterlich peinlich ist“, tanzen wir hingebungsvoll und amüsieren uns köstlich!

Das Wochenende ist den Familien vorbehalten und diverse Ausflüge stehen auf dem Programm: Aquarium, Schildkrötenstation, Wanderung zum Maïdo oder zum Cirque Mafate, Besichtigung anderer Städte oder Museen…

Erst am Montag treffen wir uns alle gemeinsam in der Schule wieder und starten zu unserem Tagesausflug nach Hell Bourg. Hell Bourg war mal ein Kurort und wurde gerne von den „weißen Herren“, die auf ihren Kaffeeplantagen Sklaven für sich arbeiten ließen, besucht. Heute ist Hell Bourg kein Kurort mehr, aber das Dorf, das aus typisch kreolischen Häusern (Cases créoles) besteht, zählt heute zu den schönsten Dörfern Frankreichs. In Hell Bourg gibt es einen Botanischen Garten, wo uns der Enkel des Besitzers, ein junger Mann Anfang Zwanzig, interessante Dinge über medizinische Nutzpflanzen und Hölzer erzählt, die man auf Réunion findet. Rafael spricht recht gut Deutsch und überrascht uns damit. Er hat auf Réunion Deutsch gelernt und ebenfalls an einem Schüleraustausch teilgenommen. Dadurch wird uns wieder bewusst, wie präsent die deutsche Sprache auf der Insel ist und wie viele Leute es hier gibt, die Deutschland und den Deutschen gegenüber sehr aufgeschlossen sind. Besonders freut uns an diesem Tag, dass wir in den Bergen den schönsten Sonnenschein haben, während die ganze Insel in der Tiefebene von einer Wolkenschicht bedeckt ist. Trotzdem herrschen in Saint Paul angenehme Temperaturen von 24 Grad. Während uns kurze Hosen und T-Shirt reichen, sieht man viele Schüler mit Jeans und Pullovern, weil ihnen „kalt“ ist!

… Bis bald zum Teil 3

Bild- und Artikelnachweis: Frau Focke