veröffentlicht am 11. September 2025

Ein wunderschöner, alter Bauernhof an einer elendig langen Parallelstraße zur B212 an einem lauen Septemberabend. Um uns herum nur die saftige, grüne Wesermarsch und ein entferntes Rauschen, das an Zivilisation erinnert…

ebenso wie die zahllosen Besucher des immersiven Events, zu dem wir geladen sind: Die Premiere des Theaterstücks „Anna Rüdebusch“.
Trotz der vor Kraft strotzenden Natur um uns herum fällt es uns nicht schwer, Anna und ihrer Familie in ihre Misere der Ernteausfälle und Existenzängste zu folgen. Die Familie kämpft und streitet um den Hof und ihr Fortbestehen in ihrer Heimat, während Gevatter Tod mal in Menschengestalt und manchmal überlebensgroß – die Figur misst sicher an die vier Meter – um sie herumschleicht. Ein gruseliger Moment, der trotzdem ein wenig comic relief in eine doch sehr ernste Situation bringt. Die Entbehrung und die Aussichtslosigkeit der Familie auch wegen des Dreißigjährigen Krieges stehen den Schauspielenden – sie rollen teilweise ganz zauberhaft-norddeutsch das R – ins Gesicht geschrieben und erinnern nicht zuletzt an die Pein und Verzweiflung geflüchteter Menschen 400 Jahre später, die ohne jede Garantie ihre Heimat verlassen müssen, um bei uns ihr Glück zu versuchen. Annas Eltern zumindest verlassen den heimatlichen Hof zusammen mit dem älteren Bruder. Während der jüngere Bruder zum Stallgehilfen an Graf Anton Günthers Stallungen in Ovelgönne wird, bleibt Anna als Haushälterin auf dem benachbarten Hof zurück.

Der zweite Teil des Theaterstücks widmet sich – das Publikum wechselt in die Scheune des alten Bauernhofes – Annas Leben auf dem Nachbarhof, an dem sie sich schnell einlebt. Doch der vermeintliche Neuanfang erweist sich schon bald als trügerisch. Nachdem sie von der alten Magd des Hofes wohlwollend in den Haushalt aufgenommen wird, von ihr das Spinnen lernt und eine fleißige Gehilfin wird, so zieht sie die Zuneigung zum Sohn des Hofherren in ein Schicksal, das unaufhaltsam in die Katastrophe führt: Voller Angst vor Verstoßung gestehen die beiden dem Vater ihre Schwangerschaft. Unerwartet reagiert dieser gütig und will die beiden kirchlich verheiraten, um das ungeborene Kind als Erben seines Hofes anzuerkennen. Hoffnung keimt auf, doch sie währt nicht lange. Der junge werdende Vater, von schwacher Gesundheit und unter Krampfanfällen leidend, stirbt bei einem Sturz ins Wasser. Die Zukunft, die man Anna versprach, zerbricht. Ohne Ehemann ist das Kind nicht erbberechtigt, der Hof steht ohne Nachfolger da. Diese Gelegenheit nutzt die hinterlistige Tochter des benachbarten Großbauern, um noch bei der Trauerfeier eine Ehe mit dem Hofherrn einzufädeln, um selbst das Erbe an sich zu reißen. Das Schicksal wendet sich erneut grausam: Annas Kind stirbt kurz nach der Geburt und sie wird als Kindsmörderin angeklagt.
Die Bühne verwandelt sich in einen Gerichtssaal, gespickt von Verdächtigungen, Schuldfragen und Geständnissen.
Gab es Jahre nach Annas Tod doch noch einen Funken Gerechtigkeit?Gegenwärtig auf ebenjenem Hof, der in diesem September als Bühne dient, erinnert der Mordstein von Golzwarderwurp an Annas reelles Schicksal.

Die Inszenierung der Georg von der Vring-Gesellschaft erweckt sie nach Jahrhunderten aus dem Verborgenen und mahnt vor menschlichen Abgründen und dass die Schatten der Vergangenheit nicht unbeachtet bleiben dürfen.

Erfahre mehr über das blutige Geheimnis von Golzwarderwurp: mord-stein.de

Bildnachweis: Sb – Artikelnachweis: Amela, Sb