Ja, ich habe den leichteren Part. Ich sitze entspannt auf meinem Stuhl, heißer Kaffee dampft in der Tasse auf dem Tisch vor mir. Die Mandarine und der Tannenzweig auf dem Tisch sorgen für adventliche Stimmung. Außer, dass es mit kurz nach 8 Uhr für mich noch eindeutig zu früh ist, kann dieser Arbeitstag gar nicht schöner beginnen. Arbeitstag? Heute bin ich Teil der Jury, die darüber entscheiden wird, wer aus den sechsten Klassen das Gymnasium beim Kreisentscheid im Vorlesen Anfang kommenden Jahres vertreten wird.
Zehn Mädchen, jeweils zwei aus den Klassen 6a bis 6d, haben sich für diesen Schulentscheid qualifiziert. Jungen, stelle ich damit gleich am Anfang etwas überrascht fest, haben es bis hierhin schon mal nicht geschafft.
Holger Gerdes ist Deutschlehrer am Braker Gymnasium. Er hat den Vorlesewettbewerb organisiert und sich neben dem NWZ-Redakteur noch erfolgreich um Buchhändlerin Eleonore Gollenstede und die Referendarin Clarissa Mahlstedt (Deutsch und Geschichte) bemüht. Wir vier Sprachbegabten sollen also ein möglichst objektives Urteil fällen. Mal sehen, ob uns das gelingt.
Wir bekommen zwar als Entscheidungsgrundlage offizielle Bewertungsbogen ausgehändigt; aber Holger Gerdes meint, dass wir uns mehr auf das „Bauchgefühl“ verlassen sollen. Natürlich gibt es schon ein paar feststehende Kriterien: Liest die Schülerin flüssig oder eher stockend? Betont sie an den richtigen Stellen? Verhaspelt sie sich oder kommt sie fehlerfrei über die vorgegebene Lesezeit von drei Minuten?
Reicht das nicht aus, können weitere Faktoren zur Entscheidung herangezogen werden: Hat die Schülerin das Buch, wie vorher abgesprochen, gut vorgestellt? Hält sie die vereinbarte Zeit ein? Hat sie sich eine Stelle herausgesucht, die Lust darauf macht, das Buch zu lesen?
Die erste Runde ist die Kür. Die Mädchen lesen bekannte, also geübte Texte vor. Da kann man erstmal Punkte für die zweite, entscheidende Runde sammeln. Und die zehn Mädchen nutzen ihre Chance. Die eine, Namen will ich der Fairness halber verschweigen, betont sehr gut, liest aber etwas schnell. Die andere muss erstmal kräftig durchatmen, bevor sie sich auf den vorbereiteten Stuhl setzt und aus ihrem Buch vorliest; die nächste wiederum beeindruckt mit einer gekonnten Vorstellung des von ihr ausgewählten Buches.
Anderthalb Stunden sind vergangen, alle Mädchen haben einmal vorgelesen. Große Pause für die Wettbewerbsteilnehmerinnen, erste Beratungsrunde für die Jury – bei frisch gekochtem Kaffee und belegten Brötchen.
Sollen alle auch noch den zweiten, nun unbekannten Text lesen oder kann der Teilnehmerkreis bereits etwas reduziert werden? Die vier Juroren sind sich bei zwei Kandidatinnen – leider, leider – ziemlich schnell einig, dass sie in der zweiten Runde nicht mehr antreten brauchen. Am Ende der Beratung sind dann aber sogar noch zwei weitere Mädchen ausgeschieden.
Tatsächlich waren dabei auch diese Faktoren ausschlaggebend: eindeutig zu kurz gelesen (nicht einmal zwei Minuten) oder einen nicht altersgerechten Text ausgewählt.
In der „Pflicht“-Runde, das wissen erfahrene Lese-Juroren, trennt sich schnell die „Spreu vom Weizen“. So auch an diesem Morgen: Meine „Favoriten“ aus der ersten Runde sind hier nicht mehr so souverän. Am Ende – und da ist die Jury sich sofort einig –gewinnt Miriel Frotscher (6a) den Vorlesewettbewerb. Sie bekommt ebenso einen Buchgutschein wie die beiden Nächstplatzierten (über die länger diskutiert wurde). Die anderen Mädchen bekommen einen Schokoladenweihnachtsmann als Anerkennung für ihren Mut, vor – nahezu – wildfremden Menschen etwas vorzulesen.
Für Miriel geht der Stress also demnächst weiter. „Der Chemieunterricht ist mir lieber“, kommentiert sie ihren unerwarteten Erfolg.
Bild- und Artikelnachweis: nwzonline.de
Ja, ich habe den leichteren Part. Ich sitze entspannt auf meinem Stuhl, heißer Kaffee dampft in der Tasse auf dem Tisch vor mir. Die Mandarine und der Tannenzweig auf dem Tisch sorgen für adventliche Stimmung. Außer, dass es mit kurz nach 8 Uhr für mich noch eindeutig zu früh ist, kann dieser Arbeitstag gar nicht schöner beginnen. Arbeitstag? Heute bin ich Teil der Jury, die darüber entscheiden wird, wer aus den sechsten Klassen das Gymnasium beim Kreisentscheid im Vorlesen Anfang kommenden Jahres vertreten wird.
Zehn Mädchen, jeweils zwei aus den Klassen 6a bis 6d, haben sich für diesen Schulentscheid qualifiziert. Jungen, stelle ich damit gleich am Anfang etwas überrascht fest, haben es bis hierhin schon mal nicht geschafft.
Holger Gerdes ist Deutschlehrer am Braker Gymnasium. Er hat den Vorlesewettbewerb organisiert und sich neben dem NWZ-Redakteur noch erfolgreich um Buchhändlerin Eleonore Gollenstede und die Referendarin Clarissa Mahlstedt (Deutsch und Geschichte) bemüht. Wir vier Sprachbegabten sollen also ein möglichst objektives Urteil fällen. Mal sehen, ob uns das gelingt.
Wir bekommen zwar als Entscheidungsgrundlage offizielle Bewertungsbogen ausgehändigt; aber Holger Gerdes meint, dass wir uns mehr auf das „Bauchgefühl“ verlassen sollen. Natürlich gibt es schon ein paar feststehende Kriterien: Liest die Schülerin flüssig oder eher stockend? Betont sie an den richtigen Stellen? Verhaspelt sie sich oder kommt sie fehlerfrei über die vorgegebene Lesezeit von drei Minuten?
Reicht das nicht aus, können weitere Faktoren zur Entscheidung herangezogen werden: Hat die Schülerin das Buch, wie vorher abgesprochen, gut vorgestellt? Hält sie die vereinbarte Zeit ein? Hat sie sich eine Stelle herausgesucht, die Lust darauf macht, das Buch zu lesen?
Die erste Runde ist die Kür. Die Mädchen lesen bekannte, also geübte Texte vor. Da kann man erstmal Punkte für die zweite, entscheidende Runde sammeln. Und die zehn Mädchen nutzen ihre Chance. Die eine, Namen will ich der Fairness halber verschweigen, betont sehr gut, liest aber etwas schnell. Die andere muss erstmal kräftig durchatmen, bevor sie sich auf den vorbereiteten Stuhl setzt und aus ihrem Buch vorliest; die nächste wiederum beeindruckt mit einer gekonnten Vorstellung des von ihr ausgewählten Buches.
Anderthalb Stunden sind vergangen, alle Mädchen haben einmal vorgelesen. Große Pause für die Wettbewerbsteilnehmerinnen, erste Beratungsrunde für die Jury – bei frisch gekochtem Kaffee und belegten Brötchen.
Sollen alle auch noch den zweiten, nun unbekannten Text lesen oder kann der Teilnehmerkreis bereits etwas reduziert werden? Die vier Juroren sind sich bei zwei Kandidatinnen – leider, leider – ziemlich schnell einig, dass sie in der zweiten Runde nicht mehr antreten brauchen. Am Ende der Beratung sind dann aber sogar noch zwei weitere Mädchen ausgeschieden.
Tatsächlich waren dabei auch diese Faktoren ausschlaggebend: eindeutig zu kurz gelesen (nicht einmal zwei Minuten) oder einen nicht altersgerechten Text ausgewählt.
In der „Pflicht“-Runde, das wissen erfahrene Lese-Juroren, trennt sich schnell die „Spreu vom Weizen“. So auch an diesem Morgen: Meine „Favoriten“ aus der ersten Runde sind hier nicht mehr so souverän. Am Ende – und da ist die Jury sich sofort einig –gewinnt Miriel Frotscher (6a) den Vorlesewettbewerb. Sie bekommt ebenso einen Buchgutschein wie die beiden Nächstplatzierten (über die länger diskutiert wurde). Die anderen Mädchen bekommen einen Schokoladenweihnachtsmann als Anerkennung für ihren Mut, vor – nahezu – wildfremden Menschen etwas vorzulesen.
Für Miriel geht der Stress also demnächst weiter. „Der Chemieunterricht ist mir lieber“, kommentiert sie ihren unerwarteten Erfolg.
Bild- und Artikelnachweis: nwzonline.de